Ep. 35: Verdienen wir, was wir verdienen?

Shownotes

Viel Applaus, aber wenig Geld erhalten momentan Pflegekräfte oder Kassierer. Die aktuelle Krise offenbart, wer die eigentlichen, man könnte auch sagen: existentiell notwendigen Stützen der Gesellschaft sind. Sonst aber ist Undank der Welten Lohn, denn weder Kranken- und Altenpfleger noch Supermarktangestellte werden für ihre stets anstrengende Arbeit fürstlich entlohnt. Ob sich daran etwas ändert, wird sich in ein paar Monaten zeigen – inzwischen werden vereinzelt und recht sparsam Boni verteilt. Ein kleines Dankeschön, mehr nicht. Doch warum nur, verdienen Menschen, die für uns – nicht nur jetzt, sondern immer – lebensnotwendig sind, eigentlich so wenig? Oder grundsätzlicher gefragt: Verdienen wir, was wir verdienen? Viele Ökonomen behaupten, die Entlohnung sei letztlich nur das Resultat aus Angebot und Nachfrage, wenngleich der Markt nicht sonderlich gerecht ist. Doch stimmt das wirklich, ist es derart simpel? Zugleich muss der Staat viele Löhne aufstocken, damit die Arbeitnehmer von ihrer Arbeit leben können. In der neuen Folge von „Wohlstand für Alle“ sprechen Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt über Gehälter und die Mär vom gerechten Lohn.

Literatur:
Frigga Haug (Hrsg.): Hat die Leistung ein Geschlecht?. Argument Verlag

Sebastian Thieme: Der Ökonom als Menschenfeind?. Verlag Barbara Budrich

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Wolfgang M. Schmitt, Ole Nymoen
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Kommentare (5)

Nelson

Hallo ihr Beiden, eure Folgen sind durch die Bank großartig. In dieser Folge habt ihr einen Punkt angesprochen, zu dem ich euch etwas fragen möchte. In der DDR war der Lohnunterschied zwischen Arbeitern und Akademikern kaum vorhanden bzw. sogar teilweise anders geartet als heute. Ich finde es eigentlich ganz charmant. Warum soll ein Akademiker auch automatisch mehr verdienen? Er hat das Bildungssystem sogar viel mehr gekostet, weshalb es doch fast andersherum sein sollte. Viele würden trotzdem studieren, um einfach einen interessanten Berufsweg einzuschlagen. Übrigens gab es auch keine großen Vermögensunterschiede und Geld hat ganz allgemein keine große Rolle gespielt.

Stefan Wagner

Hm. Die Frage, welcher Verdienst gerecht ist, ist vielleicht deswegen schwer zu beantworten, weil die Frage unsinnig ist. Man kann auch Fragen: Wozu sind wir auf der Welt? Auch das ist eine unsinnige Frage, weil sie unterstellt, dass uns eine Absicht zur Existenz gebracht hat. Da kommen in postreligiösen Zeiten nur die Eltern in Frage, aber die wissen ja, dass sie ihre Absichten dem Nachwuchs nicht aufzwingen können. Vor welcher Instanz kann Verdienst gerecht sein? Zwei gleich produktive Arbeiter in einer Firma kann man durchaus auf gerechten Lohn hin vergleichen, aber unterschiedliche Berufe an unterschiedlichen Orten, in unterschiedlichen Firmen, womöglich in unterschiedlichen Epochen? Aber konkreter: Dass Altenpflege keinen Profit bringt, nichts zum Wachstum beiträgt, ist Kokolores. Es gibt kommerzielle Altenpflege. Der Alte ist nicht produktiv - deswegen arbeitet er nicht als Altenpfleger, sondern ist der Kunde. Das Geld dafür hat er in eine Versicherung eingezahlt, also in gewisser Hinsicht gespart und also vorher selbst erarbeitet. Und ins Bruttosozialprodukt fließt das natürlich als Dienstleistung ein. Die Bezahlung ist schlecht, weil man zu der Bezahlung, die man bietet, genügend Arbeitskräfte findet. Aber es gibt keine Spitzenaltenpfleger, die doppelt so viele Alte zu pflegen in der gleichen Zeit schaffen, wie normal gute. Die Produktivität skaliert nicht. Ein stärkerer, geschickterer und cleverer Altenpfleger schafft vielleicht 50% mehr. Kennt ein Pfleger das Metier in- und auswendig und kann anderen vermitteln, was sie besser machen können, kann er als Ausbilder arbeiten und so mehr verdienen. Dann wirken sich seine Fähigkeiten bei seinen Schützlingen auch nicht zu 100% aus, aber er kann jedes Jahr 20 neuen Azubis sein Wissen vermitteln. Und obwohl die Arbeit angenehmer, vielleicht erfüllender und weniger anstrengend und belastend ist, verdient er mehr, weil er dem Betrieb mehr Profit bringt. Und damit sind wir bei der Nachfrage nach Arbeit. Die fällt nicht vom Himmel, sondern die Arbeitskraft muss dem Unternehmer mehr Einnahmen versprechen, als sie kostet. Kein Boss bezahlt einen Angestellten, weil der das verdient hat, sondern weil er erwartet, dass der ihm Profit bringt. Ob ein Manager jetzt 223x mal so viel Profit bringt wie ein Postbote oder was das Beispiel war, das ist wohl im Einzelfall so schwer zu belegen wie zu widerlegen, aber die Möglichkeit des einzelnen Postboten den Profit des Unternehmens signifikant zu beeinflussen sind wohl überschaubar. Dazu kommt aber die Gaußsche Glockenkurve. An den Rändern wird die immer flacher. Um 10% mehr Leistung zu bekommen, muss man auf 90% der Bewerber verzichten. Mit 10% mehr Lohn kommt man da nicht weit. Schreibt einen 100m-Lauf aus, und versprecht eine Prämie für diejenigen, die unter 12s laufen. Wie hoch muss die Prämie sein, um 10 Starter zu bekommen? Wie hoch bei unter 11s, bei 10s? Das Angebot an Sprintern fällt rapide, entsprechend steigen die Preise. In der Altenpflege kann man einen Superaltenpfleger durch zwei Honks ersetzen aber man kann im 100m-Lauf einen Weltrekordler nicht durch 5 Sprinter auf dem Niveau des deutschen Rekords ersetzen. Ich weiß nicht, wie man das messen wollte, aber man kann auch nicht eine Beethovensynfonie durch zwei kompensieren von Komponisten, die nur halb so gut waren. Spitzenmusiker spielen Spitzensinfonien in Spitzenkonzerthäusern mit Spitzeninstrumenten. In Provinzhäusern spielen Provinzmusiker auf sehr ordentlichen Instrumenten trotzdem Spitzensinfonien, weil das Notenpapier für mäßige Sinfonien auch nicht billiger ist und auch nicht ins Gewicht fällt. Außer das Stück wäre so schwierig, dass man lieber eins aus der zweiten Reihe meistert, als sich am Meisterwerk zu überheben. Ja sicher, die Putzfrau muss vielleicht härter schuften als der Dirigent. Der Verdienstunterschied ist eklatant. Aber Putzfrauen müssen wir alle indirekt überall mitbezahlen, nicht nur im Konzert, auch im Supermarkt, im Cafe, im Krankenhaus, im Amt, in Kindergarten, Schule, Uni und Betrieb. Die bekommen alle 50% mehr und die LKW-Fahrer und Postboten, die Kanalreiniger und die Müllabfuhr, alle kriegen mehr und alle müssen es bezahlen. Das läppert sich und am Ende bleibt nichts übrig. In einigen Staaten Afrikas sieht es so aus, dass man mit Englisch u. Französisch für ein Studium prädestiniert ist, Arzt wird und dann als Kellner in einem feinen Hotel arbeitet, weil dort die europäischen Touristen mit hohen Trinkgeldern, für unsere Verhältnisse aber nur normale, Fairness implementieren wollen. Aber, wenn man als Kellner 2x so viel verdient wie als Arzt wird das System dysfunktional. In den Standardwerken der Volkswirtschaftslehre wird übrigens die Schwierigkeit gerechter Löhne thematisiert. Und es ist schwer von der Hand zu weisen, dass der allgemeine Wohlstand in den kapitalistischen Ländern weit höher war, als in den sozialistischen, obwohl die Schere in ersteren weiter auseinanderklafft. Wieso ist es eigentlich ein Tabu zu behaupten, dass manche Menschen nicht produktiv genug sind, ihren eigenen Lebensunterhalt zu erwirtschaften? Ist das nicht eine Frage, die man empirisch überprüfen kann? Sicher, es gibt Zwänge wie Renten- und Krankenversicherung, denen auch die untersten Lohngruppen unterworfen sind und die, die sich teure Mieten nicht leisten können, dürfen nicht am Stadtrand eine wilde Siedlung aus Wellblech errichten, um über die Runden zu kommen. Die Körperkraft ist natürlich kein geeignetes Maß, um gerechten Lohn festzustellen, wie ihr selbst merkt, aber ohne auf die Dampfmaschine zu kommen, die es erlaubt 100 Arbeiter, die monatlich Lohn fordern, durch eine Maschine zu ersetzen, die einmal die Anschaffung kostet und dann Wartung und Energieträger. Aber ja, es ist für arbeitslos gewordenen Schufter kurzfristig eine Katastrophe, wenn die Maschine billiger ist. Langfristig hat sich seither die Lebenserwartung enorm erhöht, die Luft ist erst schlechter und dann wieder besser geworden. Statt 1% gehen heute 50% eines Jahrgangs zu Universitäten und forschen u.a. gegen Krankheiten. Was hat das römische Reich je für uns getan? Mindestlohn muss aber meiner Meinung nach sein. Wenn dann die Päckchen zu teuer werden, dann kauft man es eben im Laden und nicht bei Ebay, Amazon und AliBaba. Die Alternative ist ja, dass die, die da gar nicht bestellen, über Steuern das Aufstocken mitzahlen - das ist ja gerade nicht marktwirtschaftlich. Wachstum heißt natürlich auch, dass ungeheuer viel Tand produziert wird, beispielsweise Volksmusik. Was könnte man da einsparen - Künstler, CD-Presswerke, Fernsehveranstaltungen - die Leute könnte man alle zu Krankenpflegern machen, logisch. Nur kommen dann die Volksmusikfreunde und sagen nein, nein, wir stoppen Soul, Funk, Blues und Rock - das braucht kein Mensch! Soll das ein 758. Zentralkomitee der Arbeiter und Bauernräte entscheiden? Oder ist es vielleicht doch besser den Markt entscheiden zu lassen? Vielleicht verbunden mit der Hoffnung auf die Werkbank in Fernost, dass man da Pflegeroboter hinbekommt, die die Pflege entlasten und billiger machen? Ja, wenn die Klimakatastrophe nicht wäre. Und noch einen Punkt: Mir leuchtet es ein, dass man, wenn man 10 Jahre länger lebt wahrscheinlich auch 2 Jahre länger arbeiten kann. Bei ordentlichen Produktivitätszuwächsen würde man das auch ohne längere Arbeitszeit hinbekommen, aber auch das riecht wieder nach fossilen Energieträgern und Klimadingens.

Stefan W.

Hm. Die Frage, welcher Verdienst gerecht ist, ist vielleicht deswegen schwer zu beantworten, weil die Frage unsinnig ist. Man kann auch Fragen: Wozu sind wir auf der Welt? Auch das ist eine unsinnige Frage, weil sie unterstellt, dass uns eine Absicht zur Existenz gebracht hat. Da kommen in postreligiösen Zeiten nur die Eltern in Frage, aber die wissen ja, dass sie ihre Absichten dem Nachwuchs nicht aufzwingen können. Vor welcher Instanz kann Verdienst gerecht sein? Zwei gleich produktive Arbeiter in einer Firma kann man durchaus auf gerechten Lohn hin vergleichen, aber unterschiedliche Berufe an unterschiedlichen Orten, in unterschiedlichen Firmen, womöglich in unterschiedlichen Epochen? Aber konkreter: Dass Altenpflege keinen Profit bringt, nichts zum Wachstum beiträgt, ist Kokolores. Es gibt kommerzielle Altenpflege. Der Alte ist nicht produktiv - deswegen arbeitet er nicht als Altenpfleger, sondern ist der Kunde. Das Geld dafür hat er in eine Versicherung eingezahlt, also in gewisser Hinsicht gespart und also vorher selbst erarbeitet. Und ins Bruttosozialprodukt fließt das natürlich als Dienstleistung ein. Die Bezahlung ist schlecht, weil man zu der Bezahlung, die man bietet, genügend Arbeitskräfte findet. Aber es gibt keine Spitzenaltenpfleger, die doppelt so viele Alte zu pflegen in der gleichen Zeit schaffen, wie normal gute. Die Produktivität skaliert nicht. Ein stärkerer, geschickterer und cleverer Altenpfleger schafft vielleicht 50% mehr. Kennt ein Pfleger das Metier in- und auswendig und kann anderen vermitteln, was sie besser machen können, kann er als Ausbilder arbeiten und so mehr verdienen. Dann wirken sich seine Fähigkeiten bei seinen Schützlingen auch nicht zu 100% aus, aber er kann jedes Jahr 20 neuen Azubis sein Wissen vermitteln. Und obwohl die Arbeit angenehmer, vielleicht erfüllender und weniger anstrengend und belastend ist, verdient er mehr, weil er dem Betrieb mehr Profit bringt. Und damit sind wir bei der Nachfrage nach Arbeit. Die fällt nicht vom Himmel, sondern die Arbeitskraft muss dem Unternehmer mehr Einnahmen versprechen, als sie kostet. Kein Boss bezahlt einen Angestellten, weil der das verdient hat, sondern weil er erwartet, dass der ihm Profit bringt. Ob ein Manager jetzt 223x mal so viel Profit bringt wie ein Postbote oder was das Beispiel war, das ist wohl im Einzelfall so schwer zu belegen wie zu widerlegen, aber die Möglichkeit des einzelnen Postboten den Profit des Unternehmens signifikant zu beeinflussen sind wohl überschaubar. Dazu kommt aber die Gaußsche Glockenkurve. An den Rändern wird die immer flacher. Um 10% mehr Leistung zu bekommen, muss man auf 90% der Bewerber verzichten. Mit 10% mehr Lohn kommt man da nicht weit. Schreibt einen 100m-Lauf aus, und versprecht eine Prämie für diejenigen, die unter 12s laufen. Wie hoch muss die Prämie sein, um 10 Starter zu bekommen? Wie hoch bei unter 11s, bei 10s? Das Angebot an Sprintern fällt rapide, entsprechend steigen die Preise. In der Altenpflege kann man einen Superaltenpfleger durch zwei Honks ersetzen aber man kann im 100m-Lauf einen Weltrekordler nicht durch 5 Sprinter auf dem Niveau des deutschen Rekords ersetzen. Ich weiß nicht, wie man das messen wollte, aber man kann auch nicht eine Beethovensynfonie durch zwei kompensieren von Komponisten, die nur halb so gut waren. Spitzenmusiker spielen Spitzensinfonien in Spitzenkonzerthäusern mit Spitzeninstrumenten. In Provinzhäusern spielen Provinzmusiker auf sehr ordentlichen Instrumenten trotzdem Spitzensinfonien, weil das Notenpapier für mäßige Sinfonien auch nicht billiger ist und auch nicht ins Gewicht fällt. Außer das Stück wäre so schwierig, dass man lieber eins aus der zweiten Reihe meistert, als sich am Meisterwerk zu überheben. Ja sicher, die Putzfrau muss vielleicht härter schuften als der Dirigent. Der Verdienstunterschied ist eklatant. Aber Putzfrauen müssen wir alle indirekt überall mitbezahlen, nicht nur im Konzert, auch im Supermarkt, im Cafe, im Krankenhaus, im Amt, in Kindergarten, Schule, Uni und Betrieb. Die bekommen alle 50% mehr und die LKW-Fahrer und Postboten, die Kanalreiniger und die Müllabfuhr, alle kriegen mehr und alle müssen es bezahlen. Das läppert sich und am Ende bleibt nichts übrig. In einigen Staaten Afrikas sieht es so aus, dass man mit Englisch u. Französisch für ein Studium prädestiniert ist, Arzt wird und dann als Kellner in einem feinen Hotel arbeitet, weil dort die europäischen Touristen mit hohen Trinkgeldern, für unsere Verhältnisse aber nur normale, Fairness implementieren wollen. Aber, wenn man als Kellner 2x so viel verdient wie als Arzt wird das System dysfunktional. In den Standardwerken der Volkswirtschaftslehre wird übrigens die Schwierigkeit gerechter Löhne thematisiert. Und es ist schwer von der Hand zu weisen, dass der allgemeine Wohlstand in den kapitalistischen Ländern weit höher war, als in den sozialistischen, obwohl die Schere in ersteren weiter auseinanderklafft. Wieso ist es eigentlich ein Tabu zu behaupten, dass manche Menschen nicht produktiv genug sind, ihren eigenen Lebensunterhalt zu erwirtschaften? Ist das nicht eine Frage, die man empirisch überprüfen kann? Sicher, es gibt Zwänge wie Renten- und Krankenversicherung, denen auch die untersten Lohngruppen unterworfen sind und die, die sich teure Mieten nicht leisten können, dürfen nicht am Stadtrand eine wilde Siedlung aus Wellblech errichten, um über die Runden zu kommen. Die Körperkraft ist natürlich kein geeignetes Maß, um gerechten Lohn festzustellen, wie ihr selbst merkt, aber ohne auf die Dampfmaschine zu kommen, die es erlaubt 100 Arbeiter, die monatlich Lohn fordern, durch eine Maschine zu ersetzen, die einmal die Anschaffung kostet und dann Wartung und Energieträger. Aber ja, es ist für arbeitslos gewordenen Schufter kurzfristig eine Katastrophe, wenn die Maschine billiger ist. Langfristig hat sich seither die Lebenserwartung enorm erhöht, die Luft ist erst schlechter und dann wieder besser geworden. Statt 1% gehen heute 50% eines Jahrgangs zu Universitäten und forschen u.a. gegen Krankheiten. Was hat das römische Reich je für uns getan? Mindestlohn muss aber meiner Meinung nach sein. Wenn dann die Päckchen zu teuer werden, dann kauft man es eben im Laden und nicht bei Ebay, Amazon und AliBaba. Die Alternative ist ja, dass die, die da gar nicht bestellen, über Steuern das Aufstocken mitzahlen - das ist ja gerade nicht marktwirtschaftlich. Wachstum heißt natürlich auch, dass ungeheuer viel Tand produziert wird, beispielsweise Volksmusik. Was könnte man da einsparen - Künstler, CD-Presswerke, Fernsehveranstaltungen - die Leute könnte man alle zu Krankenpflegern machen, logisch. Nur kommen dann die Volksmusikfreunde und sagen nein, nein, wir stoppen Soul, Funk, Blues und Rock - das braucht kein Mensch! Soll das ein 758. Zentralkomitee der Arbeiter und Bauernräte entscheiden? Oder ist es vielleicht doch besser den Markt entscheiden zu lassen? Vielleicht verbunden mit der Hoffnung auf die Werkbank in Fernost, dass man da Pflegeroboter hinbekommt, die die Pflege entlasten und billiger machen? Ja, wenn die Klimakatastrophe nicht wäre. Und noch einen Punkt: Mir leuchtet es ein, dass man, wenn man 10 Jahre länger lebt wahrscheinlich auch 2 Jahre länger arbeiten kann. Bei ordentlichen Produktivitätszuwächsen würde man das auch ohne längere Arbeitszeit hinbekommen, aber auch das riecht wieder nach fossilen Energieträgern und Klimadingens. Aber nochmal zurück zur großen Gerechtigkeitsfrage. Ich erinnere mich da an die Stichworte Bedarfsgerechtigkeit, Leistungsgerechtigkeit, man könnte noch eine pro-Kopf-Gleichheit ins Spiel bringen. Die Transparenz der Märkte ist lange nicht vollkommen. Für viele Berufe muss man sehr früh auf der richtigen Bahn sein - wenn man ohne Hauptschulabschluss da steht, dann kann man sich später auf den Kopf stellen aber wird kein Arzt mehr. Die Ausgangschancen sind natürlich nicht gleich. In einem Haushalt mit großer Bücherwand, Musik- und Sportunterricht, evtl. Nachhilfe, eigenem Zimmer mit Schreibtisch und später Laptop hat man viel bessere Ausgangschancen, als ein gleich intelligenter und anfangs motivierter Schüler, der sich das Zimmer mit anderen Kindern teilen muss, wo die Mutter arbeitet und der Vater im Knast sitzt, so er überhaupt bekannt ist. Für die Intelligenz hat man auch nichts selbst nichts getan (Zwillingsstudien). Krankheiten, Unfälle, ... . Aber man kann nicht jedermann zum Arzt machen - zumindest ich möchte nicht von einem behandelt werden, der einen IQ von 90 hat. Und wir wollen, dass die mit einem IQ von 130 und mehr in der Forschung und Wissenschaft tätig sind, evtl. im oberen Management von irgendwas. Sicher haben wir keine super Meritokratie. Nur haben es alternative Gesellschaftssysteme noch weniger geschafft, überall die besten an die Spitze zu bringen. Gerade da haben sich die übelsten Opportunisten und Parteisoldaten, ein korruptes Mittelmaß durchgesetzt.

Alias Belias

Es wäre schön, wenn es zum Thema Gerechtigkeit in Zukunft weitere Folgen des Podcasts gäbe. Ein wenig enttäuschend finde ich, dass der Beitrag viele Prämissen einer kapitalistischen Logik übernimmt ohne diese auf ihren Wahrheitsgehalt hin genauer zu prüfen. Dies zeigt sich schon an der Frage im Titel. Niemand kann eine menschliche Lebensleistung, sei es in Form von Erwerbsarbeit oder in Form von privatem Einsatz angemessen (materiell) vergüten. Die geleistete Arbeit hat am Ende für die Gemeinschaft vielfach einen unschätzbaren Wert. Problematisch ist das Klatschen der Menschen auf den Balkonen in Deutschland vor allem deshalb, weil dieses von außen betrachtet hierzulande als eine vergleichsweise kleine oder gar läppische Geste erscheinen kann. Dessen ungeachtet ist es in intellektueller Hinsicht ein kleiner Fortschritt, der zeigt, dass Menschen womöglich langsam ihre Haltung ändern und besser verstehen, dass sie nicht alles, was ihnen widerfährt, in die scheinbar universelle Sprache des Geldes übersetzen können. Dennoch ist es meiner Meinung nach zutreffend, dass die in dieser Folge des Podcasts angeführten Gruppen viel zu wenig Geld zur Verfügung haben, um in unserer Gesellschaft tatsächlich ein gutes Leben führen zu können. Hierbei muss man bedenken, dass sich das Bruttoeinkommen einer Pflegekraft nicht ohne Weiteres mit dem Gehalt in anderen Branchen vergleichen lässt. Die Pflege ist körperlich und psychisch eine große Herausforderung und vielfach auch eine Belastung. Der Schichtdienst im Krankenhaus beispielsweise ist nachgewiesenermaßen extrem ungesund. Somit muss man davon ausgehen, dass nicht jede Pflegerin und nicht jeder Pfleger bis zum gesetzlichen Rentenalter im jeweiligen Job arbeiten kann. Insofern sollte man Bruttogehälter nicht direkt vergleichen, da manche Menschen unverschuldet im Durchschnitt weniger lange in die Rentenkasse einzahlen, was ihnen mittelfristig große Nachteile bringt. Eine zweite Prämisse, welche sich hinter vielen hier nicht analysierten Aussagen verbirgt, ist die, dass man Menschen nach ihrer Nützlichkeit für die Gemeinschaft bewerten kann. Erstens ist dies schlicht unzutreffend, da beispielsweise alte, kranke und behinderte Menschen solche Arbeiten, die als für das bestehende System besonders relevant eingestuft werden, aus körperlichen Gründen vielfach nicht verrichten könnten. Somit handelt es sich um eine Botschaft, die letztlich diskriminierend und eventuell sogar gefährlich ist. Hier frisst am Ende die Revolution ihre eigenen Kinder. Den Podcast hören wir nur, aber wir sehen nicht! Wenn wir die Brille der Ideologie abnehmen möchten, dann sollten wir zunächst Alvin Tofflers Gedanken zum Thema Erwerbsarbeit versus unbezahlte Arbeit rekapitulieren. Dann müssten wir zweitens erkennen, dass es weniger darauf ankommt, wo jemand arbeitet als vielmehr darauf, wie gut jemand seine Arbeit zu machen bereit ist und mit wie viel konstruktivem Engagement er oder sie eine Tätigkeit ausübt. Schließlich würden wir erkennen, dass sich der Wert eines Menschen nicht nach seiner Leistung bemisst. Ganz radikale Denkerinnen würden sogar behaupten, dass der Mensch keinen Wert haben kann, da er offensichtlich kein Ding ist. Der Podcast müsste dann natürlich in "Würde für alle" umbenannt werden. Das wiederum wäre beklagenswert, denn die beiden klugen Macher würden sicherlich viele ihrer hochgeschätzten Hörer verlieren.

Olaf Timmermann

Hier wird recht deutlich und einfach auf den Punkt gebracht, warum Löhne so unterschiedlich und und ungerecht ausfallen: https://www.google.de/amp/s/www.zeit.de/amp/wirtschaft/2020-03/pflegekraefte-systemrelevante-berufe-unterbezahlung-corona-krise-ungerechtigkeit

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